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Brief mit großer Sorge an Jens Spahn
Veröffentlicht am 18.08.2019 von Ottmar Miles-Paul

Gerne wäre die Familie Over aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz heute in Berlin mit dabei, wenn behinderte Menschen den Tag der offenen Tür im Bundesgesundheitsministerium dazu nutzen, um mit dem Bundesgesundheitsminister über dessen Pläne zur Intensivpflege für beatmete Menschen zu diskutieren. Der organisatorische Aufwand und die Kurzfristigkeit des Bekanntwerdens des Referentenentwurfs lassen eine solche Reise jedoch nicht zu. Dafür hat die Familie jedoch einen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geschrieben, den die kobinet-nachrichten stellvertretend für viele, die heute nicht dabei sein können, veröffentlichen. “Mein Name ist Benni Over, ich bin 28 Jahre alt und wohne im nördlichen Rheinland-Pfalz. Obwohl ich fast vollständig gelähmt bin, setze ich mich seit Jahren für die Rettung der akut vom Aussterben bedrohten Orang-Utans und deren Lebensraum, den Regenwald, ein. Ich bin an einem schleichenden Muskelschwund erkrankt (DMD), sitze seit meinem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl und kann nur noch meine Finger bewegen. Wegen eines Herzstillstands im Dezember 2016 habe ich einen Luftröhrenschnitt erhalten. Seither werde ich überwiegend von einer Maschine beatmet. Trotz meiner Handicaps und begrenzten Ressourcen setze ich meine ganze Kraft für die Rettung der rothaarigen Waldmenschen ein. Orang-Utans haben eine wichtige Rolle für den Regenwald. Denn aufgrund ihrer Futterauswahl und dem anschließenden Ausscheiden derselben sorgen sie für den Fortbestand gesunder Wälder. Jene Wälder, die das Oxygen produzieren, das unsere Welt gerade in Zeiten des Klimawandels so dringend braucht”, berichtet Benni Over in einer Mail an die Medien. Die “>Petition mit dem Titel “Stoppt das Reha- und Intensivpflege-Schwächungsgesetz (RISG)” auf der Petitionsplattform change.org<. Diese Pläne bereiten auch Benni Over und seiner Familie große Sorge, denn dann könnte Benni Over ein Leben in einer Einrichtung drohen und sein Engagement für die Orang-Utans wäre wahrscheinlich Geschichte. Deshalb hat sich die Familie mit einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt, den die kobinet-nachrichten im folgenden dokumentieren:

“Sehr geehrter Herr Minister Spahn, wir – Connie und Klaus Over – sind die Eltern von Benni. Benni, 29 Jahre alt, ist an Muskeldystrophie Duchenne erkrankt, sitzt im Rollstuhl und wird seit Dezember 2016 beatmet. Er wohnt bei uns zu Hause und wird ambulant /außerklinisch bzgl. Pflege versorgt. Mit großer Sorge haben wir deshalb den Referentenwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Rehabilitation und intensiv-pflegerischer Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Kenntnis genommen. Sicherlich ist es gut, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit außerklinischer Intensivpflege qualitativ hochwertig zu sichern. Aber das Vorhaben, die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege künftig regelhaft in vollstationären Pflegeeinrichtungen erbringen zu wollen, die Leistungen nach § 43 des Elften Buch Sozialgesetzbuch erbringen, oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten, die strengen Qualitätsanforderungen unterliegen, ist in dieser Allgemeinheit nicht akzeptabel. Wenn Sie nämlich gesetzlich festschreiben, dass nur in Ausnahmefällen die außerklinische Intensivpflege auch im Haushalt des Versicherten oder sonst an einem geeigneten Ort erbracht werden kann und dazu auch noch eine Altersgrenze festlegen wollen, dann nehmen Sie billigend in Kauf, dass entweder Menschen mit Behinderung zwanghaft in stationäre Einrichtungen untergebracht werden, was der Intention des Bundesteilhabegesetzes extrem entgegenstünde, oder Sie zwingen die Betroffenen bzw. ihre Angehörige, unendliche Kämpfe mit den Kassen zu führen. Wir erläutern Ihnen das gerne am Beispiel unseres Sohnes. Die Umsetzung dieses Gesetzes wird für unseren Sohn Benni bedeuten, dass er in ein Heim abgeschoben, dort seelisch verkümmern und dahinvegetieren würde. Seit Jahren führt Benni ein selbstbestimmtes Leben. Auch setzt sich Benni – zusammen mit der Familie und vielen anderen Menschen – gesellschafts-, bildungs- und gesundheitspolitisch ein. Wir – seine Eltern – haben z.B. 1996 die ‘aktion benni & co e.V.’ (heute Deutsche Duchenne-Stiftung) ins Leben gerufen. Und seit über fünf Jahren setzt sich Benni mit einem Projekt für den Regenwald- und Klimaschutz ein. Lesen Sie dazu den jüngsten Bericht des Deutschen Caritasverbandes oder informieren Sie sich auf www.henry-rettet-den-regenwald.de. Erst gestern waren wir auf Einladung der Stadt Merzig mit Bennis Projekt und drei Vorträgen vor Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterwegs – und haben dabei Inklusion in Reinstform demonstrieren können.

Dies alles funktioniert nur, weil Benni zu Hause betreut wird. Das alles würde ins Gegenteil verkehrt, wenn es nach dem Grundsatz des Referentenentwurfes geht. Alleine das Ansinnen, dass ein Gesetz grundsätzlich darüber entscheidet, wo ein schwerstbehinderter Mensch zu wohnen hat, ist menschenunwürdig und hat nichts mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben zu tun, wie es im Bundesteilhabegesetz verankert ist. Die Sorge wird einem auch nicht dadurch genommen, wenn im Gesetzesentwurf Ausnahmen vorgesehen sind. Im Gegenteil: Schon alleine das Etikett ‘Ausnahme’ ist erniedrigend. Und der Gedanke daran, erneut für die Genehmigung zu einer Ausnahme kämpfen und mit ‘den Kassen’ verhandeln zu müssen, macht mürbe. Wir haben das in extenso erleben müssen, nachdem Benni einen Herzstillstand erlitten hat. Wir laden Sie zu einem Besuch zu uns nach Hause ein. Erleben Sie, wie außerklinische Betreuung erfolgreich praktiziert wird. Erleben Sie, wie Inklusion erfolgreich und glücksbringend umgesetzt wird. Und fragen Sie Benni bitte selbst, was er von dem Referentenentwurf hält. Sehr geehrter Herr Minister Spahn, wir bitten Sie inständig, den Referentenentwurf dahingehend zu korrigieren, dass ein Beatmungspatient grundsätzlich und selbstbestimmend ‘die Wahl’ zwischen einer stationären oder ambulanten Betreuung hat. Sollten Sie auf den jetzigen Entwurf inkl. dem Hinweis auf Ausnahmen beharren, so bitten wir Sie persönlich, dann auch für Benni diese Ausnahme mit den Kassen zu verhandeln. In Erwartung auf eine baldige, konstruktive Antwort grüßen wir freundlich. Unserem Wahlkreisabgeordneten, Herrn Erwin Rüddel, lassen wir eine Kopie dieses Briefes zukommen.”

(Hier noch einmal der
Link zur Petition mit der Bitte um Unterstützung)

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